REZZO SCHLAUCH

Parl. Staatssekretär a.D.

Rede Rezzo Schlauch, Parlamentarischer Staatssekretär a.D.,
Rosenheimer Fenstertage 2006, Freitag 20.10.2006

Nachhaltigkeit und Ökologisierung - Motor für den Mittelstand

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir nähern uns nun dem Ende der diesjährigen Rosenheimer Fenstertage. Nun haben Sie, ich möchte sagen, die internationale Fenster-Elite, sich hier zwei Tage lang mit Fachvorträge und Workshops beschäftigt, sich gegenseitig über die neuesten Entwicklungen informiert, Informationen über Märkte und Techniken ausgetauscht und vieles mehr. Sicher werden Sie sich nun fragen, was soll uns denn der Politiker jetzt noch über Fenster erzählen, was wir nicht schon wissen.

Am Ende hält er noch eine Fensterrede, damit kennen die sich doch aus die Politiker! Sie wissen, die Fensterrede, gemeinhin der Begriff für die großtönende Propaganda-Ansprache, gehalten für den schnellen Effekt, aber ohne Substanz oder Wirkung!

Nun, meine Damen und Herren, so manche Rede, die als Fensterrede denunziert wurde, hat sich später als etwas ganz anderes herausgestellt. Ich möchte nur an die Rede des Kanzlers der rot-grünen Bundesregierung erinnern, als er die sogenannte Agenda 2010 ankündigte, laut verhöhnt als „Schall und Rauch“ von der damaligen Oppositionsführerin! Dieselbe Dame genießt nun den Aufschwung in Deutschland, der in jenen Zeiten eingeleitet wurde. Sie hat es selbst sogar jüngst zugegeben und die rot-grüne Bundesregierung für die Reformpolitik gelobt, wer hätte das gedacht. Also Vorsicht mit den Fensterreden, die können es in sich haben! 

Was kann der Politiker uns noch vom Fenster erzählen, fragen Sie sich. Der denkt doch beim Fenstersturz direkt an den dreissig-jährigen Krieg und nicht an das Bauteil, das wir hier unter uns Baufachleuten so nennen. Und in der Tat, meine Damen und Herren, das wäre meine erste Assoziation gewesen. Ich weiss nicht ob Sie sich erinnern, früher haben die Politiker sich gegenseitig aus dem Fenster geworfen, wenn es heftig wurde. Beim Prager Fenstersturz etwa haben die Protestanten die Katholiken aus dem Fenster geworfen und danach brach ein dreissig-jähriger Krieg aus, der Deutschland um Jahrhunderte zurückwarf. Zum Glück haben sich die Sitten da geändert, möchte man sagen. Die Politiker bekämpfen sich heute auf zivilisiertem Wege und wenn doch mal einer in Versuchung geraten sollte: In vielen Häusern kann man die Fenster ja dank Ihrer neuen Bautechniken heute gar nicht mehr so einfach öffnen.

Aber ich will Sie beruhigen, ich werde Ihnen tatsächlich nichts mehr zu Ihren Fachdiskussionen sagen, das wäre auch recht anmaßend von mir. Ich möchte Ihnen zum Abschluss dieses Fachkongresses noch einmal ein wenig die größere, die allgemeinere und politische Bedeutung ihres Tuns nahe bringen, falls die Ihnen nicht ohnehin selbst bewusst ist. Es geht mir dabei, wie Sie vielleicht schon aus dem Titel meines Vortrags erschließen können um die meiner Ansicht nach immer noch wichtigsten und größten politischen Themen unserer Zeit: Umwelt und Arbeit.

Es ist vielleicht mittlerweile zur Binsenweisheit geworden, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze mehr sind. Oder sagen wir so: Es sollte zur Binsenweisheit geworden sein! Immer mal wieder hört man Äußerungen aus dem Bereich der Politik oder der Wirtschaftsverbände, die einen zweifeln lassen, ob das wirklich schon jeder verstanden hat.

Ich erinnere mich da etwa an so manche Äußerung des ehemaligen BDI Präsidenten Rogowski, nach der die Politik der ökologischen Modernisierung ein Standortnachteil sei. Nachdem Deutschland nun bei einer ökologischen Technologie nach der anderen Weltmarktführer und Exporteur geworden ist, stellt sich die Sache doch ein wenig anders dar. Doch wir wollen ja heute nicht alte Rechnungen begleichen. Im großen und ganzen kann heute doch getrost davon ausgehen: Das, was meine Partei seit Zwanzig Jahren predigt, ist mittlerweile Mainstream geworden.

Sie müssen uns dieses kleine Eigenlob schon gestatten, meine Damen und Herren, denn schließlich war es nicht leicht, in all den Jahren gegen Spott und Geschrei anzugehen, wir wollten zurück in die Steinzeit usw. Nun gab es bei uns Grünen früher zugegebenermaßen auch Leute, die wirklich in die Steinzeit zurückwollten, aber das sei nur nebenbei gesagt.

Wir freuen uns ja, dass grünes Denken in Wirtschaft und Gesellschaft heute zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Wenn heute sogar das Weisse Haus in Washington, nach den Erfahrungen mit Hurrikan Katrina und mit dem Kampf um Öl in den Krisenregionen der Welt so langsam die Notwendigkeit des Klimaschutzes und der Alternativen zum Öl akzeptiert, dann darf der Grüne Politiker sich das schon einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Ökologische Modernisierung ist nicht nur eine absolute und unausweichliche Notwendigkeit unserer Zeit, sie ist auch ein Jobmotor sondergleichen. Und die Jobs, die in den Ökobranchen entstehen, die entstehen hauptsächlich in den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Durch eine konsequente Politik der ökologischen Modernisierung schlägt man also drei politische Fliegen mit einer Klappe:

Das ist schon ein Großprojekt, wofür es sich zu kämpfen lohnt, und es ist das, was man eine große Linie nennen könnte, oder einen roten Faden. Wenn jemand von Ihnen einen solchen roten Faden bei den derzeitigen bundespolitischen Regierungskoalitionären schon entdeckt hat, dann möge er sich nachher bei mir melden. Ich selbst habe so meine Schwierigkeiten dabei.

Bevor ich etwas näher in die Details gehe und dabei auch auf ihre Branche zu sprechen komme, möchte ich für diejenigen unter ihnen, die vielleicht noch zu den Zweiflern gehören, ob Umweltschutz wirklich irgendetwas mit harten Zahlen und Bilanzen zu tun hat, einmal einige harte und rote Zahlen präsentieren, ja man könnte durchaus sagen knüppelharte und blutrote Zahlen.

Schon 2004 war ein Rekordjahr der Naturkatastrophen. Die Münchener Rück, eine der weltweit größten Rückversicherungsgesellschaften hatte analysiert: 2004 war mit Schäden in Höhe von 40 Mrd. US-Dollar für die Versicherungswirtschaft das teuerste Naturkatastrophenjahr aller Zeiten, und zwar ohne den Tsunami. Allein die Wirbelstürme in den USA, der Karibik und Japan verursachten 2004 über 35 Mrd. US$ versicherte Schäden. Die volkswirtschaftlichen Schäden – also einschließlich der nicht versicherten Schäden - verdoppelten sich nach Schätzungen der Münchener Rück auf rund 145 Mrd. USD. In der Abteilung GeoRisikoForschung der Münchener Rück formulierte man eindeutig, dass diese Art Katastrophe auf den "mit hoher Sicherheit vom Menschen ausgelösten Klimawandel“ zurückzuführen ist.

Dann kam das Jahr 2005: Die volkswirtschaftlichen Schäden schnellten hoch auf eine Rekordhöhe von über 200 Mrd. US$. Davon gingen runf 125 Mrd. US$ allein auf das Konto des Hurrikans Katrina. Die versicherten Schäden erreichten mit über 75 Mrd. US$ eine völlig neue Dimension; die bisherige Rekordbelastung von 2004 verdoppelte sich nahezu. Die Hurrikane im Atlantik haben 2005 sowohl meteorologisch als auch wirtschaftlich neue Rekordmarken gesetzt. Nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen (1851) entwickelten sich so viele und so starke tropische Stürme und Hurrikane im Atlantik (26) wie diesmal. Katrina, Rita, Vince, Wilma, usw. einer schlimmer als der andere.

Wer denkt, dass die Karibik weit weg ist, den darf ich an das Jahr 1999 erinnern: Die Orkane „Anatol“, „Lothar“ und „Martin“ im Dezember 1999 hatten ein versichertes Schadenausmaß von insgesamt über 10 Mrd. €.  Und 10 Jahre zuvor hat die Orkanserie von 1990 mit „Daria“, „Vivian“, „Wiebke“ und fünf weiteren Stürmen ebenfalls in Westeuropa eine Schadenbilanz von annähernd 9 Mrd. € (in Werten von 1990) hinterlassen.

Und auch für das letzte Jahr können wir uns an Schäden nahe der Heimat erinnern: Extrem starke Regenfälle führten im August 2005 im nördlichen Alpenraum Deutschlands, Österreichs und vor allem in der Zentralschweiz zu schwersten Überschwemmungen. Für die Schweiz war dies der größte versicherte Naturgefahrenschaden überhaupt. Die Überschwemmungen verursachten nach Angaben der Münchener Rück  volkswirtschaftliche Schäden von insgesamt rund 3 Mrd. US$.

Das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) hat all das einmal in die Zukunft weitergerechnet. Die Schäden durch Naturkatastrophen überhaupt könnten nach Modellrechnungen des DIW bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 200 Billionen Dollar (rund 167 Billionen Euro) steigen: Das wäre etwa das 20fache der Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten. Allein in Deutschland seien Schäden von 800 Milliarden Euro zu erwarten, nach dieser Studie des DIW. Grundlage für dieses Szenario sind Schätzungen von Klimaforschern, wonach die Temperatur weltweit um 3,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 steigen wird.

Nun, meine Damen und Herren, genug der Horrorzahlen und der Schreckensszenarien. Ich bin eigentlich nicht gekommen um Ihnen zum Ende ihrer Konferenz noch schnell die Apokalypse an die Wand malen. Vielleicht kommt es auch nicht alles ganz so schlimm, aber, meine Damen und Herren, man kann nicht die Augen vor diesen Entwicklungen verschließen. Wir reden hier von riesigen Gefahren und von großen ökonomischen Schäden.

Aber, und deshalb komme ich überhaupt auf den Klimawandel zu sprechen, wir reden auch von riesigen wirtschaftlichen Potentialen, die in den notwendigen Veränderungen stecken.

Es ist mittlerweile in der Fachwelt Konsens: Wesentliche Ursache der Wetterkatastrophen ist der Klimawandel und wesentliche Ursache des Klimawandels ist der Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2), das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle, Gas entsteht. Verbrennung und Emissionen müssen daher drastisch reduziert werden.

Die Abhängigkeit vom fossilen Brennstoff Öl, die bekanntlich vor allem die Bereiche Verkehr und Wärme betrifft, ist im Übrigen noch aus einen anderen Grund problematisch: 2/3 der Ölvorräte liegen in Krisenregionen, sie werden knapp und sie sind umkämpft. Diese Abhängigkeit von einem endlichen Rohstoff aus einer labilen geopolitischen Region in Verbindung mit den zu erwartenden Preissteigerungen sind ein dramatisches wirtschaftliches Problem.

Allein die zunehmende Nachfrage aus Schwellenländern wie China und Indien sorgt bereits heute für einen hohen Ölpreis. Der Rohölpreis erreicht heute zeitweise das Fünffache von 1999. 2004 hat Deutschland insgesamt rund 25 Milliarden für seine Rohölimporte ins Ausland überwiesen. Die Umstellung der Rohstoffbasis auf nachwachsende Rohstoffe hingegen hat das Potenzial, Hunderttausende neuer Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. So werden die ländlichen Räume vom Anbau nachwachsender Rohstoffe profitieren; Land- und Forstwirte können als Energiewirte neue Einkommen erwirtschaften; mit innovativen Verfahren können neue Marktchancen für den Maschinen- und Anlagenbau entwickelt werden, auch für den Export.

Die weltweite Nachfrage nach moderner Energietechnologie wird stetig wachsen. Wer auf diesem Markt der Zukunft vorne liegen will, sollte heute schon investieren.

Die Vorreiterrolle im Klimaschutz und bei den ökologischen Technologien ist eine wirtschaftliche Erfolgsstrategie, sie ist Innovationspolitik reinster Güte. Deutschland hat sich seit 1998 zu sehr ehrgeizigen Klimaschutzzielen und zu einer grundsätzlichen Wende in der Energiepolitik bekannt.

Weg vom Öl, das Schlagwort, mit dem meine Partei und auch die klugen Politiker anderer Parteien und anderer Länder seit einiger Zeit durch die Lande ziehen, dieses Schlagwort steht für ein ökologisches und ein ökonomisches Projekt. Nun liegen die ökonomischen Vorteile der ökologische Modernisierung nicht nur im hohen Ölpreis und der Vermeidung zukünftiger Katastrophen begründet. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass viele der notwendigen Maßnahmen sehr arbeitsplatzintensiv sind. Es geht dabei neben dem Umsteuern von den fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien auch ganz stark um Energieeffizienz und Energieeinsparung.

Hiermit sind wir schon fast bei ihrer Branche angelangt, doch ihre Eitelkeit muss sich noch einen Augenblick gedulden. Zunächst möchte ich Ihnen die Arbeitsplatzeffekte der Ökobranche insgesamt mit ein paar Zahlen belegen.

In Deutschland waren nach einer Studie des DIW im Jahr 2002 fast 1,5 Millionen Erwerbstätige im Umweltschutz beschäftigt. Das sind 3,8 Prozent aller Beschäftigten. Die Beschäftigung in diesem Bereich hat seit 1998 immer weiter zugenommen. Die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zu 1998 ist insbesondere bei den erneuerbaren Energien, dem Export von Umwelttechnologie sowie bei den umweltbezogenen Dienstleistungen gestiegen. Es sind also die ökologischen Innovationen im weitesten Sinne, die beeindruckende Arbeitsplatzpotentiale bieten, ich möchte kurz noch einmal die verschiedenen Felder skizzieren:

Vom Umsteuern auf Erneuerbare Energien habe ich schon gesprochen. In allen Sparten der erneuerbaren Energien arbeiten mittlerweile weit über 120.000 Menschen. Das sind mehr als in Atom- oder Kohleindustrie. Im Jahre 2004 wuchs der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch um ein Fünftel auf 9,3 %. Das EEG ist damit ein beispiellos erfolgreiches Instrument.

Während ein weiterer Ausbau der Windkraft wohl nur noch bei den Offshore-Anlagen große Aussichten bietet, gibt es bei Solarenergie, Biomasse und Geothermie noch große Potentiale. Eine globale Energiewende hin zur Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien und von Energieeinspartechnologien ist dringend erforderlich. Und eine solche Strategie bietet zugleich die Chance umfangreicher – vor allem technologischer – Innovationen.

Sowohl im Strom als auch im Wärmebereich gilt dabei, dass die Energiewende vor allem dem Mittelstand zugute kommt. Die Erneuerbaren Energien sind ein stark mittelständischer strukturierter Wirtschaftsbereich, und auch die energetische Modernisierung im  Gebäudebereich, auf die wir gleich näher zu sprechen kommen, sichert vor allem Aufträge, Umsätze und Arbeitsplätze im Handwerk, bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.  

Ein weiteres zentrales Feld ist das der neuen Mobilität. Die deutsche Automobilindustrie hat zwar einige zwar in den letzten Jahren zahlreiche technische Innovationen realisiert, doch vorrangig in Richtung Sicherheit. Der Verbrauch der Fahrzeugflottille ist dagegen nicht gesenkt worden, obwohl dies längst möglich wäre. Die Stichworte sind hier: Verbrauchsreduktion der Motortechnik, geringeres Fahrzeuggewicht durch neue Werkstoffe und Konstruktionsinnovationen, und die Entwicklung von Biokraftstoffen und von Antriebstechnologien mit Brennstoffzelle. Hier liegen riesige Chancen für Export und und zukünftige Märkte.

Die absehbare Verknappung des Erdöls stellt übrigens auch die Flugzeugindustrie vor neue Herausforderungen an die Entwicklung deutlich verbrauchsgünstigerer Technologien und von Ersatzstoffen. Auch die Luftfahrtbranche wird ihre schädlichen Emissionen durch Innovationen senken müssen.

Doch die Mobilitätsanforderungen der Zukunft gehen darüber weit hinaus. Zur Bewältigung der Mobilitätsbedürfnisse in unserer Gesellschaft brauchen wir Innovationen auch bei den Verkehrsystemen hin zu optimierten Kombinationen unterschiedlicher Verkehrsträger und -angebote, zum Beispiel der City-Logistik für den Güterverkehr.

Doch die Umstellung auf Erneuerbare Energien und neue Brennstoffe kann die Probleme alleine nicht lösen. Der Energiebedarf muss insgesamt auch sinken. Die Energieproduktivität unserer Volkswirtschaft steigt zwar bereits ständig an, doch dieser Anstieg hat sich in letzter Zeit leider verlangsamt. Wir müssen diesen Trend umkehren. Ein bisher leider wenig populärer Aspekt der Energiewende bleibt also die Energieeinsparung und –Effizienz. 

Hier hat der Wohn- und Gebäudebereich bekanntlich große Potentiale. Mehr als ein Viertel des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs und damit verbunden auch der Co2 Emissionen gehen auf den Bereich der Raumwärme zurück. Der gesamte Bereich Bauen und Wohnen trägt 34 % zu den deutschen Co2 Emissionen bei. Durch die Sanierung von Altbauten und durch energetische Innovationen bei Neubauten können also enorme Reduktionen an Co2 Emissionen erreicht werden.

Mit neuen Baukonstruktionen und Werkstoffen, effizienten Energietechniksystemen, Kraft-Wärme-Koppelung und erneuerbaren Energieträgern können heute bereits erste Modelle von Einfamilienhäusern ihren eigenen Energiebedarf selbstständig decken. Zugleich lässt sich der Schadstoffausstoß auf ein Minimum reduzieren.

Nicht jeder Neubau wird vorerst nach diesen Standards zu bauen sein. Aber das "Drei-Liter-Haus" als mittelfristig erreichbarer Standard könnte eine erste Zielmarke sein, das "Nullenergie und Nullemmissionshaus" mit eigener Brennstoffzelle die nachfolgende.

Im Altbaubereich sind aber noch weitaus größere Energieeinsparpotenziale vorhanden. Hier geht viel Energie ineffizient verloren, die Schadstoffemissionen sind hoch.

Solche Innovationen im Bauwesen bieten aber zudem ein großes nachhaltiges Beschäftigungspotenzial für das Baugewerbe und Handwerk, vom Planungsbüro bis hin zum Wartungsdienst.

Obwohl das vor allem für Wohngebäude gilt, möchte ich auch darauf hinweisen, dass ein regeneratives Energiemanagement auch beim Facility Management, bei der Betreuung und Modernisierung von größeren Gebäuden, etwa Bürogebäuden oder Flughäfen, sowohl ökologische als auch beschäftigungspolitische Potentiale hat. Die Maßnahmen zur Stärkung der Energieeffizienz im Gebäudebereich sichern Arbeitsplätze wiederum vor allem in der mittelständischen Bauwirtschaft und im Handwerk. Die alte rot-grüne Bundesregierung hat begonnen die Altbaumodernisierung seit 2000 mit 200 Millionen € pro Jahr zu fördern, vor allem auf Druck des grünen Koalitionspartners. Die Förderung lief vor allem über das Ihnen sicherlich bekannte Co2 Gebäudesanierungsprogramm der KfW, Kreditanstalt für Wiederaufbau, durch zinsgünstige Kredite sowie in manchen Fällen - bei Erfüllung bestimmter Kriterien der Energieeffizienz – sogar durch einen Teilschulderlass.

Das Programm ist nun Anfang 2006 durch die neue Regierung verlängert worden, da kann man nur gratulieren. Vielleicht sollte die große Koalition mehr erfolgreiche grüne Politik weiterführen, möglicherweise würde das ihr Image verbessern.

Gefördert werden dabei energetische Sanierungsmaßnahmen an Altbauten, der Austausch von Gas-, Öl- und Kohleeinzelöfen, Kohleheizungen und Nachtspeicherheizungen zugunsten von hocheffizienten Heizungssystemen sowie der Einbau von Gas- und Ölbrennwertkesseln in Kombination mit Solaranlagen. Darüber hinaus werden hier auch der Neubau und die Sanierung von Energiesparhäusern und Passivhäusern, die die Anforderungen der Energieeinsparverordnung deutlich unterschreiten, gefördert.

Der Bereich der energetischen Modernisierung des Gebäudebestandes ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Ökologisierung vor allem den Mittelstand und das Handwerk fördert.

Konventionelle Energieerzeugung im Wohngebäudebereich ist kapitalintensiv, schafft aber nur wenig Arbeit, anders als etwa die arbeitsintensiven Maßnahmen zur Wärmedämmung. Gerade hier aber ist das Handwerk tätig. Die Wartung und Reparatur von Anlagen hat langfristige Beschäftigungseffekte und die Sanierung bestehender Gebäude bringt dem Handwerk Aufträge.

Nach einer Studie des Wuppertal Instituts (Gebäudesanierung – Eine Chance für Klima und Arbeitsmarkt, 1999) könnten mit einer anspruchsvollen energetischen Gebäudesanierung rund 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Rund zwei Drittel der Kosten entfallen demnach bei der Sanierung auf den Faktor Arbeit, während dieser zum Beispiel im Neubau nur rund ein Drittel ausmacht. Durch verbesserte Wärmedämmung und moderne Heizungssysteme verringern sich der Energiebedarf und die Betriebskosten.

Die Anfangsinvestitionen lohnen sich schon nach wenigen Jahren.

Etwa 80 Prozent des gesamten Energiebedarfs eines Hauses wird für die Raumwärme benötigt. Rund ein Drittel der CO2-Emissionen sind in Deutschland auf den Bereich der Haushalte zurückzuführen. Das Einsparpotenzial in Altbauten wird auf 50 bis 70 Millionen Tonnen CO2 geschätzt. Damit kann die Sanierung von Altbauten maßgeblich zum Klimaschutzziel der Bundesrepublik Deutschland beitragen.

Nun, meine Damen und Herren, ich habe Sie nun von den schockierenden Zahlen zu Klimawandel und Naturkatastrophen über die notwendigen Maßnahmen zur ökologischen Modernisierung und technologischen Innovation bis hin zu den konkreten Förderprogrammen im Gebäudebereich geführt.

In diesem großen Szenario der ökologischen und ökonomischen Modernisierung, spielt denn auch die Fensterbranche ihre kleine und wichtige Rolle. Das Glas als Baustoff hat ja eine faszinierende Karriere gemacht. Mir scheint, dass die Entwicklung des Einsatzes von Glas in der Architektur doch ein Musterbeispiel für innovative Entwicklungen ist.

Sie alle sind Fachleute in diesem Bereich. Ich möchte mir also nicht anmaßen, Ihnen hier etwas Neues zu diesem Thema verkünden zu können. Gestatten Sie mir aber doch ein paar kurze Anmerkungen zur Faszination eines Laien mit diesem Baustoff.

Die Idee, Glas für Fenster zu verwenden, hatten die Menschen wohl bereits vor 2000 Jahren und im 19 Jahrhundert hat man die gläsernen Gewächshäuser gebaut. Doch was für eine faszinierende Karriere hat das Glas als Baustoff im letzten Jahrhundert hingelegt! Man hat es die „Stütze der Revolution“ in der modernen Architektur genannt.

Es wurde zum Leitmaterial und Zeichen für die modernen Ideen von Transparenz und Urbanität. Die Beispiele reichen von Mies van der Rohe und dem International Style bis zu den imponierenden Glasriesen der Gegenwart, dem Sony Center am Potsdamer Platz, der gläsernen Manufaktur von VW in Dresden oder dem neu entstandenen Hauptbahnhof  in Berlin. Auch in der Wohnhausarchitektur hat das Glas seine Rolle stetig ausgedehnt von der Idee der Wintergärten bis zu hin modernen Vorstellungen vom Wohnen in Holz und Glas.

Neben den visuellen Qualitäten des Materials treten in jüngerer Zeit auch die energetischen Eigenschaften des Glases in den Vordergrund. Doppelfassaden ermöglichen etwa die Lüftung ohne Klimaanlage, und spezielle Glasarten kontrollieren den Wärmeeintrag. Als grüner Wirtschaftspolitiker interessiert mich neben den ästhetischen Eigenschaften natürlich auch dieser energetische Aspekt des Glases und die Rolle, die das Material beim energieeffizienten Bauen und Wohnen spielen kann.

Wie Sie alle wissen kann Glas die Energiebilanz eines Hauses nachhaltig verbessern. Das Material Glas ist für mich ein Paradebeispiel für meinen Grundansatz beim Thema Ökologie: Nachhaltigkeit muss nicht Verzicht, Askese, Wollsocke und Blockhütte bedeuten. Ökologische Modernisierung führt zu einer neuen Form des guten Lebens und der Alltagsästhetik. Sie ist daher auf technische Innovationen dringend angewiesen und der Baustoff Glas kann eine solche Entwicklung perfekt illustrieren. Ist es zunächst nur seiner Lichtdurchlässigkeit gewählt worden, kann es heute Licht und Wärme variabel kontrollieren, für unterschiedliche gestalterische und funktionelle Zwecke eingesetzt werden und mittlerweile sogar tragende Funktionen erfüllen. 

Viele dieser Innovationen sind hierzulande entwickelt worden. Die Entwicklung in Ihrem Bereich kann daher illustrieren, was unser Land ganz allgemein braucht:

Innovationen. Vor allem ökologische Innovationen. Die Zukunft Ihrer Zunft wie auch unserer Wirtschaft insgesamt kann nicht in der Konkurrenz mit Billigproduktion liegen. Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit sollten die Orientierung sein.

Nun, meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende angelangt. Um noch einmal eine typische Politikermetapher zu bemühen: Das Zeitfenster für Ihre Aufmerksamkeit schließt sich gleich wieder. Ich hoffe, ich konnte es nutzen, um Ihnen ein Szenario für eine wichtige und vielversprechende Entwicklung zu skizzieren, in dem Ihre Branche einen kleinen Beitrag leisten kann, eine wichtige Menschheitsaufgabe anzugehen und voranzutreiben. Es geht um nichts weniger als die Erhaltung der Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Wem das zu weit gegriffen und zu gravitätisch ist, der begnüge sich mit einer etwas geringeren Aufgabe von ebenfalls großer Tragweite für unsere Gesellschaft:

Es geht um die Schaffung der Arbeitsplätze von morgen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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